„Ingenieure ohne Grenzen“ bauen Regenwasserspeicher für Kindergarten in Togo | Nächstes Projekt für Schule in Kenia läuft an
Tomegbé liegt in Togo. Kurz das Lineal an die Weltkugel gehalten: 4.995 Kilometer Luftlinie sind es zwischen Leipzig und dem afrikanischen Bergdorf. Die Gegend ist arm, viele ihrer Bewohner unterernährt. [Schwer vorstellbar, dass es auf derselben Erde so unterschiedlich zugeht, nicht wahr?]
In der Region ist Tomegbé aber noch privilegiert – denn mit Hilfe des Vereins agbe aus Berlin entstand 2010 ein Kindergarten. Nicht einfach eine Blechhütte, wie sonst üblich. Sondern vier kleine gemauerte Häuser mit sechseckiger Grundfläche. So richtig nachhaltig. Fast jedenfalls. Denn die Hütten hatten zwar eine Dachrinne, aber der ablaufende Regen versickerte ungenutzt.
Aus drei Gründen ist das, ähm, ungünstig. Erstens: Es regnet vier Monate lang nicht [und zwar in jedem Jahr – nicht ausnahmsweise, wie von deutschen Landwirten und Kleingärtnern 2018 schmerzlich beklagt]. Zweitens: Im Dorf haben die Chinesen zwar drei Brunnen gebaut – noch so ein Privileg von Tomegbé. Nur ist die Dorfmitte zwei Kilometer entfernt! „Wasser to go“ ist typisch Togo, Transport auf dem Kopf. Aber für Kleinkinder? Drittens: Ja, es gibt ein Flüsschen in der Nähe. Aber einmal ein Messinstrument reingehalten, bestätigt sich das, was ohnehin jeder vorher weiß: Daraus mal lieber nicht.
Fazit: Eine Zisterne muss her. Koste es nicht, was es wolle.
Und dieses Anliegen landet schließlich auf dem Tisch der „Ingenieure ohne Grenzen“ in Berlin. Das ist der Hauptsitz des Vereins, der in Deutschland etwa 30 Regionalgruppen hat. Eine davon, mit 10 bis 15 Mitgliedern eher kleiner, ist in Leipzig angesiedelt. Und weil hiesige Ingenieure überdurchschnittlich oft aus dem Hause HTWK stammen, trägt das Wirken des Vereins die Handschrift der Hochschule. Man ist anerkannte Hochschulgruppe, etwa die Hälfte der Gruppe studiert noch, der Rest ist schon etwas weiter. „Aussteigen“ braucht man nicht, ein Ü50er ist folglich auch an Bord.
Niels Dögnitz: Schreibtischarbeit für die ferne Zisterne
HTWK-Absolvent Niels Dögnitz (30) ist seit 2012 ein „Ingenieur ohne Grenzen“. Das Togo-Projekt, Laufzeit 2013 bis 2017, hat er in allen drei Phasen begleitet. Auf Erkundungsreise und Planung (I) folgten Umsetzung vor Ort (II) und Evaluierung (III). Nein, selbst „da unten“ war er nicht. Es brauchte jemanden mit Französisch-Kenntnissen. Also: nicht ihn. „Und mal eben vier Wochen Urlaub zu nehmen für die Bauphase, das kann auch nicht jeder“, sagt Dögnitz. Überhaupt handelt es sich nicht um eine Gruppenreise – die IoG sind schließlich kein Tourismus-Verein. Es reisen immer nur die, die vor Ort unbedingt nötig sind.
Stattdessen, erzählt der ehemalige Student, gebe es vom (Leipziger) Schreibtisch aus genug Arbeit: Öffentlichkeitsarbeit, Planen, Rechnen, Dokumentieren. Und Fundraising. Damit der Verein „seinen“ Ehrenamtlern die Reise nach Afrika zahlen kann, fängt Dögnitz bei sich selbst an: „Das größte Geburtstagsgeschenk sind Spendengelder.“ 25.000 Euro brauchte es für das Zisternen-Projekt. Nicht gerade viel! „Weil wir professionell aufgestellt sind, die hauptamtlichen Mitarbeiter in Berlin sehr erfahren sind und effektiv arbeiten. Und wir nur dann tätig werden, wenn vor Ort Partner sind, die das wollen. Mit lokalen Arbeitern und lokalen Materialien.“
Duc van Luong: Nach Togo zur Zisterne? Gerne!
Gleich zweimal nach Tomegbé aufgebrochen: Duc van Luong (31), HTWK-Alumnus seit 2014. Der schon deswegen nicht international fremdelt, weil er selbst aus Vietnam stammt: „Mit fünf Jahren hergekommen. Also Bildungsinländer“, schmunzelt der Absolvent. Wie Dögnitz ist auch er 2012 im Verein eingestiegen. Als er noch Elektrotechnik-Student war. Schon kurz darauf reiste van Luong zwei Wochen lang zur Erkundung nach Togo. Drei Jahre und einen Studienabschluss später ging es für ihn 2016, zusammen mit Ingenieur Robert Sachse, wieder hin. Zweite Phase, der eigentliche Bau, vier Wochen! Sein Arbeitgeber, so der Elektroingenieur dankbar, habe ihm dafür genug Freiraum gelassen.
Der Erstaufschlag 2013: abenteuerlich. „Wir sind über Ghana angereist, weil das auf dem Landweg kürzer schien. Aber mitten in der Nacht an einem kleinen Grenzübergang den schwer bewaffneten Posten ein halboffizielles Einladungsschreiben vorzuzeigen, das war alles ziemlich befremdlich – wohl für beide Seiten…“
In Tomegbé sei die Delegation sehr herzlich aufgenommen worden. Einquartiert in einer Herberge, bei Vollpension mit landestypischer Küche. „Wir haben uns wohl und sicher gefühlt, auch weil die Leute in der Region – leider keine Selbstverständlichkeit – friedlich zusammenleben“, sagt van Luong. Beim Lokaltermin mit dem Dorfältesten wechselte Schokolade aus Leipzig den Besitzer. Die Gegenleistung fürs Gastgeschenk: Akzeptanz.
Mit heller Hautfarbe sei man im Dorf und im Kindergarten neugierig beäugt worden. „Die Kinder haben immer mit Singen begonnen, wenn sie uns sahen.“ Dann startete die Arbeit: Proben nehmen, Regendaten einsammeln, soziale und infrastrukturelle Rahmenbedingungen herausfinden (van Luong: „Und zwischen den Zeilen lesen!“).
Phase 2: Wer ander'n eine Grube gräbt
Als Duc van Luong 2016 zum zweiten Mal am Kindergarten eintrifft, ist es Februar. Frühling. 36 Grad. Zisterne bauen, das geht schon noch. Nur nicht zwischen 12 und 14.30 Uhr, da pausieren dann auch die einheimischen Arbeiter. Der „Ingenieur ohne Grenzen“ stößt auf bekannte Gesichter, erkennt die Köchin und ihre Kids wieder, den Mann mit den Regendaten. Und dann wird unermüdlich gewerkelt.
[Daheim haben Niels Dögnitz und Co. übrigens dafür gesorgt, dass bei Ankunft des IoG-Teams auch ja die Grube schon gegraben ist. Mit Fotobeweis. Denn Missverständnisse wären fatal gewesen: Die Bauzeit ist knapp kalkuliert. Und wer will schon eine halbfertige Zisterne zurücklassen, weil unaufschiebbar der Heimflug ansteht?]
6 Meter Durchmesser, 2 Meter tief und komplett geschlossen und vor Licht geschützt: Pünktlich vorm Abreisetermin am 23.2.2016 ist die Zisterne fertig (und ebenfalls von oben zu sehen: südlich der Häuser an der Außenmauer). Ein unterirdisches Rohrsystem wird das Regenwassers künftig von den angebundenen Dächern zur Zisterne leiten. Nur aushärten muss sie noch.
„Manches war in Togo auch nicht anders als daheim: Planer und Ausführende sind sich nicht immer grün, es gab da auch Streitgespräche“, schildert van Luong: „ Aber dass Normen und Prüfwerte und das Einplanen von Ressourcen sinnvoll sind, das konnten wir erfolgreich vermitteln.“ Niels Dögnitz ergänzt: „Egal wo - unser Tun hat immer auch etwas mit Knowhow-Transfer zu tun. Wenn nach einem unserer Projekte unser Muster im Nachbardörfern zur Kopiervorlage wird, dann ist das der eigentliche Erfolg!“
Phase 3: Nachschauen, wie „die Sache läuft“
Apropos Nachhaltigkeit: Beim dritten Tomegbé-Aufenthalt 2017 reisten zwei andere IoG-Mitglieder nach Togo – kontrollierten, besserten Kleinigkeiten nach und organisierten einen Workshop zur Reinhaltung und Wartung.
Phase Dreieinhalb: Kenia wartet
Derweil steht für die Leipziger „Ingenieure ohne Grenzen“ das nächste Projekt fest: 2019 geht es zur Erkundung nach Kenia, an den Victoria-See. Dort, in Watema, steht eine Schule ohne Sanitäranlagen. Und das soll sich bald ändern.*
* Es verwundert nicht, dass die Leipziger „Ingenieure ohne Grenzen“ hier abschließend anmerken, dass sich dafür gern weitere Leipziger „Ingenieure ohne Grenzen“ finden könnten. Oder Spenden. :-)
(Autor: Reinhard Franke)