Roboter auf dem Vormarsch: Im Industrie-4.0-Zeitalter werden Mensch und Maschine immer öfter zu direkten Arbeitskollegen. Der unmenschliche Partner arbeitet viel und zuverlässig, redet aber nie über Fußball, das Wetter oder die Frau vom Chef. Ein seltsames Gefühl? Psychologe Robert Brauer (29) hat zu dem Thema promoviert.
Leipzig, BMW-Werk. Halb fertige Karosserien bahnen sich ihren Weg von Montagestand zu Montagestand. Hier wird der Motor eingebaut, dort die Elektronik. Oft machen das Industrieroboter. Mit R2-D2 aus Star Wars oder dem Terminator haben die nur wenig gemein. Einmal programmiert, bewegen sie mit gelenkigen Armen kunstvoll Objekte von A nach B, schweißen sie zusammen oder schneiden sie zu. Ohne Rückenschmerzen oder Burn-Out, dafür immer mit der gleichen Geschwindigkeit und Präzision. Es geht um Aufgaben, die für Menschen zu schwer sind oder die ein Roboter einfach exakter erledigt.
Noch recht neu im Leipziger Werk: Ein Roboter und ein Mensch kleben gemeinsam Front- und Seitenscheiben in Elektroauto-Karosserien. Ein Werksmitarbeiter dreht und reinigt die Scheiben, der Roboterarm trägt eine immer gleiche Menge Klebstoff auf. Die sogenannte „Kollaboration von Mensch und Technik“ soll vor allem die Produktionsqualität und Ergonomie verbessern.
Wer eine neue Technik akzeptiert, macht weniger Fehler
Und wie findet’s der Kollege aus Fleisch und Blut? „Das ist nicht nur psychologisch interessant“, sagt Dr. Robert Brauer: „Die Antwort beeinflusst nämlich auch direkt die Arbeitsqualität.“ Für seine Promotion an der HTWK Leipzig durfte der Arbeitspsychologe im BMW-Werk genauer hinsehen: Wie stehen Montagearbeiter zur direkten Zusammenarbeit mit einem Industrieroboter? Was bedeutet eine positive oder negative Einstellung für das eigene Arbeitsverhalten? Und lässt sich die Einstellung beeinflussen?
„Privat wird neuartige Technik akzeptiert und angeschafft, wenn man sie für sinnvoll hält“, erklärt Brauer und nennt Smartphones, Fitnessarmbänder oder intelligente Kühlschränke. „Im industriellen Kontext ist das anders: Was der Arbeitgeber anschafft, muss jeder benutzen – egal, was man persönlich davon hält. Das kann tatsächlich die Motivation mindern und zu mehr Fehlern führen.“
Während über die Perspektive betroffener Mitarbeiter wenig bekannt ist, liegen die Vorteile kollaborativer Automation aus unternehmerischer und ingenieurwissenschaftlicher Sicht auf der Hand. Sebastian Keller, Mitarbeiter in der Prozessverbesserung Montage bei BMW Leipzig, erklärt: „Im Vergleich zu konventionell eingezäunten Industrieroboteranlagen brauchen kollaborative Systeme weniger Platz und sind flexibler. Aber vor dem Serieneinsatz der neuen Kollegen in unserer Produktionslinie für Elektroautos wollten wir erfahren, wie die Mitarbeiter zu den neuen Kollegen stehen.“
Informationen überzeugen Technikskeptiker
Nach mehreren Befragungen und Experimenten konstatiert Robert Brauer eine insgesamt hohe Aufgeschlossenheit gegenüber kollaborativer Automation: „Je schwieriger und anspruchsvoller die Aufgabe ist, desto eher freut man sich über die Unterstützung.“
Unternehmen sollten ihre Belegschaft vor der Einführung angemessen informieren, um Vorurteilen keinen Raum zu geben. Denn wichtig sei vor allem, dass die Erwartungen an die Fähigkeiten des Roboters realistisch sind. Robert Brauer hat dafür Schulungsunterlagen erstellt und direkt im Leipziger BMW-Werk getestet. Dabei zeigte sich: Selbst wer dem Roboter zunächst skeptisch gegenüberstand, habe eine positivere Einstellung zur Zusammenarbeit mit Robotern entwickeln können. „Zwar machen im untersuchten Kontext technikskeptische Mitarbeiter mehr Fehler“, resümiert Brauer, „aber durch eine geeignete Schulung lässt sich das vermeiden – und damit die Arbeitsqualität steigern.“
Hintergrund
Dr. Robert Brauer hat an der HTWK Leipzig in Kooperation mit der TU Chemnitz promoviert. Er war Mitglied der interdisziplinären HTWK-Nachwuchsforschergruppe METEORIT (2013–2015), die aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert wurde. Zu seinen jungen Kollegen hat Brauer nach wie vor guten Kontakt, obwohl es ihn mittlerweile nach Potsdam verschlagen hat. Dort arbeitet er aktuell in der Erwachsenenbildung, leitet Seminare und gibt individuelle Coachings. Der 29-Jährige hat eine Tochter und einen Sohn.