Daten aus der Lampe
23. August 2022
Leuchtdioden haben Glühbirnen größtenteils verdrängt, da sie effizienter sind. Das eröffnet neue Möglichkeiten: LEDs können mehr als nur leuchten
Licht, das ist elektromagnetische Strahlung. Wir Menschen sehen davon nur einen kleinen Wellenbereich: die Farben des Regenbogens. Zur Datenübertragung nutzen wir bereits infrarotes Licht, zum Beispiel in Fernbedienungen oder Glasfasernetzen. Doch auch das sichtbare Licht hat mehr Potenzial als reine Beleuchtung. Die Technik dahinter nennt sich Visible Light Communication (VLC): Kommunikation über sichtbares Licht. Gemeint sind weiße Leuchtdioden, die dank eines kleinen technischen Zusatzmoduls Daten übertragen können – überall dorthin, wohin das Licht der Lampe strahlt.
Die Professoren Slavisa Aleksic und Christian-Alexander Bunge untersuchen an der HTWK-Fakultät Digitale Transformation, wie eine solche Kommunikation über LED-Lampen möglich ist. „Zunächst galt VLC als potenzielle Alternative zum Drahtlosnetzwerk WLAN. Dieser Zahn ist gezogen: Funk hat sich durchgesetzt“, fasst Bunge die Entwicklung der Forschung an VLC zusammen. Doch für zwei Bereiche ist die Kommunikation über sichtbares Licht durchaus interessant: für die Medizin und für die Industrie.
Datenlicht in der Medizin
Operationssäle von Krankenhäusern sind heute mit Spitzentechnologie ausgestattet. Ärztinnen und Ärzte schicken kleinste Sensoren durch Blutbahnen, trennen Gewebe mit millimetergenauen Lasern und überwachen Herzschlag, Sauerstoffsättigung oder Blutdruck der Patientinnen und Patienten mithilfe zahlreicher Geräte. Überall hängen Strom- und Datenkabel. Da Funksignale Implantate und medizinische Geräte stören können, hat sich eine kabellose Kommunikation in der Medizin noch nicht durchgesetzt. Hier sieht Aleksic Entwicklungspotenzial: „Im Operationssaal ist es sehr hell, damit die Operierenden jedes Detail gut sehen. LED-Lampen können wir nutzen, um über das Licht zu kommunizieren und damit Datenkabel obsolet zu machen.“
Denkbar sei beispielsweise eine VR-Brille, die der Ärztin oder dem Arzt wichtige Informationen einblendet und so die Operation unterstützt. Die VR-Brille erhält die Daten aus dem Licht über dem OP-Tisch. So werden die Informationen zielgerichtet, robust, sicher und schnell übertragen. Eine neue Infrastruktur wäre nicht nötig, denn VLC nutzt die bereits vorhandenen Leuchtdioden. Unter realitätsnahen Bedingungen wollen Bunge und Aleksic diese Idee im rein für Forschungszwecke eingerichteten Operationssaal der Fachhochschule Campus Wien testen. In Zusammenarbeit mit den Wiener Forschenden untersuchen sie dort den Einsatz von VLC in der Medizin.
Datenlicht in der Industrie
Auch in Fabrikhallen könnte die Technologie punkten. In modernen Industrieanlagen sind Maschinen intelligent vernetzt und kommunizieren digital miteinander – Stichwort Industrie 4.0. Wichtig dafür sind robuste und zuverlässige Signale, denn eine fehlerhafte Datenübertragung würde Produktionskosten in die Höhe treiben. VLC könnte in diesem Umfeld ein sichereres Netz bieten als die Funktechnologie. Auch vor Industriespionage oder Manipulation schützt das Datenlicht besser, denn die Informationen werden örtlich begrenzt übermittelt. Wohin das Licht strahlt, fließen Daten. Wo es dunkel bleibt, sind diese Daten nicht lesbar. Das macht sie abhörsicherer.
Gemeinsam mit dem Fraunhofer IOSB-Institut für industrielle Automation in Lemgo wollen Bunge und Aleksic sondieren, welche Einflüsse im industriellen Umfeld auf VLC einwirken und ob Datenlicht dort einen Mehrwert in der Maschine-zu-Maschine-Kommunikation bietet. Sie wollen untersuchen, wie gut die Technologie bei Elektrosmog, Funkenflug, Dampf und Hitze funktioniert.
Störfaktoren finden
Derzeit untersuchen die Netzwerktechniker an der HTWK Leipzig gemeinsam mit Mete Ramazan, einem Gastforscher aus Nordzypern, welche Störungen generell auf VLC einwirken und welche Modulationsformate sich für diese Anwendungen am besten eignen. Dazu erstellen sie mathematische Modelle des Übertragungskanals und führen in kontrollierter Umgebung Experimente durch. Sie messen, wie groß Interferenzen zwischen Senden und Empfangen der Signale durch Effekte wie Reflektionen oder Überlagerungen sein können.
„Wir gehen davon aus, dass es weniger Störungen gibt als bei elektrischen Funktechniken. Aber genau hat das bisher niemand für VLC berechnet“, so Bunge. Darauf aufbauend können sie einen möglichen Einsatz der Leuchtdioden als Datenüberträger in Medizin und Industrie weiterentwickeln und Licht dort, wo es sinnvoll ist, mit Informationen anreichern – sei es im Operationssaal oder in der Fertigungshalle.
Sie wollen mehr zu dieser Thematik erfahren?
Kontaktieren Sie die Fachexperten
oder die Autorin.
Dieser Text erschien zuerst im Forschungsmagazin Einblicke 2022 der HTWK Leipzig. Hier können Sie das Magazin digital lesen oder kostenfrei abonnieren.