Ich mach’s jetzt einfach selbst. Es wird schon funktionieren.
10.06.2024
Wie die hochschuleigene Gründungsberatung „Startbahn13“ dazu beiträgt, erfolgreiche und innovative Unternehmen zu gründen – Gespräch mit AdaptING-Geschäftsführer und HTWK Leipzig-Alumnus Florian Stegmann.
Direkt an der Parthe im Leipziger Rosental, zwischen großen Bäumen, befindet sich das Büro der Firma AdaptING. Einen Eindruck vom Erfolg des Unternehmens bekommt man schon beim Betreten des schlossartigen Eingangsbereichs: Nach nur einem Jahr musste ein kleines gegen ein großes Büro ausgetauscht und umgezogen werden – nun arbeiten zwölf Angestellte unter stuckverzierten Decken.
Eine Gründerstory wie aus dem Bilderbuch
„Ich habe mehr und mehr gemerkt, dass ich Visionen habe, wie die Baubranche und die Digitalisierung in Deutschland aussehen könnte, und kam immer wieder an den Punkt, an dem ich mehr kämpfen musste, Dinge durchzusetzen, als meine Energie da einsetzen zu können, wo ich es wollte.“ Also beginnt Florian Stegmann (35) sich ausgiebig mit sich selbst, den eigenen Werten, Wünschen und Vorstellungen zu beschäftigen. „Ich habe in den letzten fünf Jahren fast einhundert Bücher gelesen, zum Thema Persönlichkeitsentwicklung, Unternehmertum und Kommunikation.“
Die Gründung von AdaptING nach dem Energietechnik-Studium 2019 an der HTWK Leipzig sei in gewisser Hinsicht eine Trotzreaktion gewesen, wie er selbst sagt: „Ich mach’s jetzt einfach selbst. Es wird schon funktionieren.“ Von der Startbahn13, der Gründungsberatung der HTWK Leipzig, wird er nicht nur gecoacht; auch der bisher erstellte Businessplan wird hinterfragt und geschaut, ob die Pläne Hand und Fuß haben. „Als ich das Unternehmen gegründet habe, wusste ich nicht, wie eine GmbH versteuert wird, oder was ein GmbH-Geschäftsführer überhaupt alles so macht.“ Das zu verstehen, dabei habe Startbahn13 sehr geholfen.
„Wir vergleichen uns mit dem, wie wir gestern waren.“
Auch die Visionen, zu einer Veränderung der Baubranche beizutragen, hat Stegmann mittlerweile umgesetzt. Mit einem Altersdurchschnitt von knapp über 30 Jahren hat er ein junges Unternehmen geschaffen, das digital denkt. Anders als viele andere Bereiche in Deutschland, die noch immer nach dem Grundsatz „never change a running system“ handeln, verändert AdaptING einfach das System. „Deshalb auch der Name AdaptING – wir sollten niemals aufhören, uns weiterzuentwickeln. Wir vergleichen uns nicht mit anderen Planungsbüros, sondern mit dem, wie wir gestern waren“, so Stegmann.
Ein Tag mit dem Chef und Selbstoptimierung an jedem Freitag
Um Transparenz zu gewährleisten, kann sich beispielsweise das gesamte Team jederzeit über die Firmenliquidität erkundigen und sowohl alle Gehälter als auch den aktuellen Kontostand des Unternehmens einsehen. Um eine gute Kommunikation im Team möglich zu machen, wird jeder Arbeitstag mit einem gemeinsamen Meeting gestartet.
Zusätzlich wurde der „time to adapt Friday“ sowie die Möglichkeit, einen Tag mit dem Chef zu verbringen, eingeführt. Der Tag mit dem Chef wird ausgelost. Hierbei darf sich jeder und jede mit den ganz persönlichen und beruflichen Zielen an den Gründer wenden. Individuellen Herausforderungen begegnet die Firma mit Coaching: ob beim Meditieren in Berlin oder beim Bungee-Jumping im Harz.
Der „time to adapt Friday”, der tatsächlich jeden Freitag stattfindet, wird genutzt, um sich ganz bewusst Zeit für die Prozessverbesserung zu nehmen. Es wird gemeinsam, gezielt und ohne äußere Ablenkung, an Themen wie Automatisierung, neuen Ideen und allgemeiner Weiterbildung gearbeitet. Sogar mit den Projektpartnern ist abgesprochen, dass die Firma an diesem Tag nur für Notfälle erreichbar ist. „Wir bilden uns selbst bzw. einander weiter.“
Mit der HTWK Leipzig verbunden
Schon bald beginnt er, Bachelor- und Masterarbeiten zu betreuen und die HTWK-Studierenden anschließend fest in sein Team zu integrieren. Dies möchte er auch weiterhin ermöglichen. Und das, obwohl es fast zwei Jahre brauche, um Studierende in die Gebäude-Elektrotechnik einzuarbeiten. Auch deshalb hat er mittlerweile mehrere Teammitglieder, die vor dem Studium eine praktische Ausbildung absolviert haben – genau wie er selbst.
AdaptING agiert bisher im lokalen Markt also in und um Leipzig herum, und sorgt, dafür, „dass es hell genug im Gebäude ist und man die Beleuchtung mit dem Lichtschalter ausschalten kann. Wir sorgen dafür, dass Brände frühzeitig erkannt werden und die Menschen sicher das Gebäude verlassen können durch gekennzeichnete Fluchtwege.“ Von Sicherheitstechnik bis hin zur Netzwerktechnik ist alles dabei. Aktuell ist das Unternehmen unter anderem offizieller Planungspartner für die Erneuerung der Elektrik im Leipziger Völkerschlachtdenkmal. Dazu müssen sich Stegmann & Co. in die gesamte, mehr als 100 Jahre alte Bestandsthematik einarbeiten. Ein weiterer Schwerpunkt ist die digitale Infrastruktur Leipziger Schulen.
Die Vision: ein skalierbares System und standardisierte Prozesse
Dass diese Konzepte offenbar funktionieren, zeigt sich zum Beispiel in der Anwesenheit der Mitarbeitenden: Trotz vom Unternehmen gestellter Homeoffice-Ausstattung und der Möglichkeit von „full remote“ ist das Team fast immer vor Ort anzutreffen.
Für die Zukunft sieht AdaptING-Gründer Stegmann seine Hauptaufgabe darin, sein Team so zu entwickeln, dass er selbst nicht mehr gebraucht wird. Ein skalierbares System und standardisierte Prozesse sollen gewährleisten, jederzeit an einem weiteren Standort ohne ihn zu starten. „Ich hab‘ kein Interesse, dann von Standort zu Standort zu reisen. Das ist meine erste Aufgabe, mich eigentlich überflüssig zu machen.“
Ein Tipp für zukünftige Gründerinnen und Gründer:
Das Wichtigste beim Gründen ist, keine Angst vorm Scheitern zu haben. Man benötigt Selbstvertrauen und soll sich selbst nicht unterschätzen.
„Ich bin einfach mit einer Vision losgelaufen, die sich weiterentwickelt hat, und irgendwann hatte ich dann den zehnten Mitarbeitenden und dachte mir, oh krass, jetzt bist du vielleicht Unternehmer.“ Natürlich gebe es auch Momente, in denen Bedenken kämen, ob einem die Aufgabe über den Kopf wachse. Da er in einem 250 Seelen Dorf aufgewachsen und nach dem Realschulabschluss eine KFZ-Mechatroniker Ausbildung gemacht hatte, sei er nicht mit solchen Zahlen aufgewachsen. „Das wirkt dann erstmal beängstigend, wenn man weiß, man muss eine Million Euro Umsatz im Jahr machen. Aber man wächst mit seinen Aufgaben. Es macht Spaß und ich komme sehr gerne ins Büro.“
Vielen Dank für das Interview!
Das Gespräch führte Magdalena Groh
studentische Hilfskraft im Bereich Marketing & Kommunikation der HTWK Leipzig
Studiengang zum Artikel
F. Stegmann studierte seinerzeit Elektrotechnik und Informationstechnik: