Orientierung im Studiendschungel: Christin Flux und Claudia Bothe, Mitarbeiterinnen des Projekts „Studifit – Studieren lernen fürs Leben“ mit dem Fokus auf Studienorientierung – Schwerpunkt Schule beraten Schülerinnen und Schüler auf ihrem Weg zum Studium. Worauf kommt es dabei an? Ein Gespräch.
Studienorientierung mit Schwerpunkt Schule: Was ist darunter genau zu verstehen?
Claudia Bothe: Wir gestalten zum Beispiel Projekttage an der Hochschule, mit denen die Schülerinnen und Schüler Einblicke ins Hochschulleben gewinnen können. Wir gehen außerdem direkt in die Schulen, beteiligen uns an Schulveranstaltungen wie „Berufswahltag“, „Traumberufetag“ und Ähnlichem. Die Schulen können sich aus unseren Angeboten ein passendes Format auswählen. Diese Beratungsformate haben wir selbst entwickelt und immer wieder angepasst, unsere Erfahrungen eingearbeitet. Ganz wichtig ist uns auch unser „Workshop Studienorientierung“, den wir sofort mit Projektstart 2017 entwickelt haben und sowohl extern als auch an der HTWK anbieten, zum Beispiel an unseren Tagen der offenen Hochschultür und zum Hochschulinfotag. Im Januar war die Nachfrage so groß, dass wir leider rund 40 Interessierte wieder wegschicken mussten; der Workshop ist maximal für 20-25 Personen sinnvoll. Mit rund 1.600 Interessierten kamen Anfang Januar mehr als 300 Leute mehr als im Vorjahr zum Tag der offenen Tür an die HTWK. Das merken wir natürlich auch. Zum nächsten Hochschulinfotag der HTWK am 9. Mai werden wir für den Workshop deswegen voraussichtlich zwei Termine anbieten. Nicht zuletzt haben wir auch fachspezifische Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer sowie für akademische Beraterinnen und Berater im Angebot, ebenso für Eltern – also für die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren.
Warum ist die Nachfrage so groß – offenbar ist diese Art der Beratung dringend nötig?
CB: Es gibt mehr als 20.000 Studiengänge in Deutschland!* Da ist Orientierung gefordert: Was kommt überhaupt für mich in Frage? Wir hören immer wieder – sowohl von Lehrenden als auch von Schülerinnen und Schülern – dass viele auch in der 11. Und 12. Klasse noch nicht wissen, was sie nach der Schule machen sollen. Die Jugendlichen brauchen viele Informationen und viele „Reize“, damit der Funke überspringt. Unserer Erfahrung nach gelingt das am besten über Anschauung, zum Beispiel durch Experimente in Laboren, wo man etwas sehen und „anfassen“ kann. Wir versuchen, Vorstellungen zu schaffen, um im besten Fall Begeisterung zu wecken. Das klappt auch über Formate wie „Girls‘ Day“ oder die Ferienhochschule, die die HTWK auch seit Jahren erfolgreich anbietet . Wichtig ist auch, die Zielgruppen sehr genau zu unterscheiden und die Angebote niedrigschwellig und passgenau zu machen, damit sie überhaupt ankommen. Da gibt es diejenigen, die von ihrer Studienwahl bereits überzeugt sind und die, die schon eine Idee haben und diese quasi nur noch überprüfen möchten. Diese brauchen eine andere Beratung als Jugendliche, die noch sehr unentschlossen sind, was sie überhaupt wollen. Kurzum: Die Nachfrage seitens der Schulen ist sehr groß, die Kooperationen weiten sich aus. Wir hoffen, dass dieses gute Netzwerk auch nach der Projektlaufzeit von Studifit, ab Herbst 2020, weitergeführt werden kann und die erfolgreichen Formate weiterhin Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stehen.
*Quelle: Statistische Daten zu Studienangeboten an HS in Deutschland, WS 2019/20
(Zum Vergleich: WS 2007/08 waren es noch 11.265 Studiengänge.)
Und dabei hilft dann zum Beispiel der Studienorientierungs-Workshop?
CB: Genau. Er dauert insgesamt 1,5 Stunden und beginnt mit einem Impulsvortrag – einige Fakten zur HTWK – sowie einer kleinen Vorstellungsrunde zum Einstieg. Dann beschäftigen wir uns gemeinsam konkret mit dem Studium. Wir haben ein Arbeitsblatt mit Fragen entwickelt, über die man sich im Zusammenhang mit der Studien- und Berufswahl unbedingt klarwerden sollte: In welchen Bereichen bist du gut? Welche Rollen spielen für dich berufliche Sicherheit, Verdienst und Karriere? Welche Berufe empfiehlt dir dein Umfeld? und Ähnliches. Mit dieser Runde haben die Jugendlichen konkrete Kriterien an die Hand bekommen, nach denen sie weiter vorgehen und auswählen können. Unser Ziel ist es, die Schülerinnen und Schüler zu ermutigen, mehr Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Selbst zu entscheiden, was ich will, kann unter Umständen natürlich auch Abgrenzung zu den Eltern und zur Peergroup bedeuten.
Was ist für Sie ein Erfolg?
CB: Wir bekommen zum einen unmittelbare Rückmeldung direkt nach dem Workshop durch unseren Feedback-Bogen – die ist immer sehr positiv. Die Leute bedanken sich, der erste Knoten sei geplatzt, sagen viele. Manche entwickeln regelrecht eine „emotionale Bindung“ zur HTWK, es gibt welche, die treffen wir auf Studien-Messen immer wieder. Bei einer Befragung von rund 700 Jugendlichen gaben 95 Prozent an, dass sie die Veranstaltung weiterempfehlen würden. Das freut uns natürlich. Erfolg heißt für mich in erster Linie, zu merken, dass wir helfen konnten. Das heißt nicht unbedingt, dass dann 1:1 alle an der HTWK studieren, die man beraten hat. Diese Entscheidung für ein Studium ist einfach sehr komplex. Aber „man schickt sie auf den Weg.“ Ich sehe das auch als gesellschaftlichen Auftrag – dazu beizutragen, dass Leute ihre Wahl für die HTWK ganz bewusst treffen, dass sie das für sich richtige Studium wählen und nicht einfach irgendwo reinstolpern.
Hintergrund
Die HTWK Leipzig pflegt im Moment mehr als 40 Schulkooperationen innerhalb Sachsens sowie in angrenzenden Bundesländern. Bisher wurden knapp 4.000 Schülerinnen und Schüler beraten sowie mehr als 1.000 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren (Eltern, Lehrende, Beratende.) Rund 130 Veranstaltungen wurden durchgeführt.