Der Geist, der begeisterte: Zum 50. Geburtstag der HTWK-Turnhalle wurde „Der Geist der Sporthalle“ gesucht – und gefunden
Rauch dringt unter der Tür hindurch ins Büro von Peter (Pausch) und Robert (Schiffler) – die HTWK-Sporthalle brennt! Doch Peter und Robert wären nicht die, die sie sind, wenn sie nicht einfach anpackten und die Sache ohne Umschweife selbst in die Hand nähmen. Und immer dran denken: „Meldekette einhalten!“
Der Brand entpuppt sich – ebenso wie die alltägliche Bürokratie, die aufs Korn genommen wird („GEMA! Rechnungshof! SWOT-Analyse!“) - allerdings als höhere Macht. Und diese schickt unsere beiden Sportlehrer kurzerhand ins goldene Wurmloch und damit durch die Zeitläufte. Zurück in die Zukunft: Die psychedelische Zeitmaschine nimmt Peter, Robert und die rund 400 Gäste durch die 60er Jahre über die Jahrtausendwende bis in die Gegenwart. „Dabei hab ich doch schon mit der Gleitzeit meine Schwierigkeiten“ stöhnt Robert.
Herakles als Schutzpatron der Sportstätten (in einer Paraderolle: TV-Stimme Hans Henrik Wöhler) war der Drahtzieher. Er war es, der die aufreibende Zeitreise unserer Sportlehrer durch die Weltgeschichte ausheckte. Herakles ließ den Saal unter brachialem Orgelgewitter erzittern und nahm sich die beiden Jungs ganz schön zur Brust. Dabei wollten die doch nur immer alles richtig machen! Robert, Peter und die Zuschauer durften nicht nur am Leben der beiden - quasi vorgeburtlich über Kindergarten, Schulzeit und Studium - sondern auch an den gleichzeitig stattfindenden politischen Ereignisse teilhaben, die in der HTWK-Hallengeschichte gespiegelt wurde. Ein zweistündiger Parforceritt durch die „große“ Geschichte am Beispiel der Sporthalle sozusagen.
„Ich war beeindruckt, mit welcher Akribie Christian Birkner und Peter Pausch diese Story zusammengetragen haben. Dabei sind die Szenen aus unserem eigenen Leben künstlerisch entfremdet! Hier durfte auch einmal geschwindelt und frei erfunden werden. Die große Anstrengung der vergangenen Wochen und Monate wurde durch die Freude über den gelungen Abend wieder wettgemacht“, sagt Robert Schiffler.
Lieber Disco als Turnen
Jedes Jahrzehnt war mit dem ihm ganz eigenen Attributen vertreten: so gab es „Wandzeitungen“ und Projektionen von schwarz-weiß bis farbig, als Requisiten zum Beispiel eine typische DDR-„Heule“ (vulgo: Kassettenrecorder), zeitgenössische Nickis (heute als „T-Shirts“ bekannt) wurden aufgetragen und darin Aerobic gemacht, und die Schulterpolster bei dem einen oder anderen Kostüm waren auch nicht zu verachten. Wiedersehen macht Freude! All diese Zeiten wurden mit Sport, Tanz und Musik wiederbelebt, live von Funk-Band „Black Coffee“ aus Leipzig eingespielt: Rock’n Roll - statt Geräteturnen, Aerobic und Hip Hop statt Leichtathletik. HTWK-Absolventin und Federgewicht-Boxweltmeisterin Sandra Atanassow boxte im Ring sogar Sportlehrer Hagedorn nieder. Aber „Hoppchen!“, wie der des Öfteren zu sagen pflegte. Großartig in der Hagedorn- und mehreren weiteren Rollen: Thorsten Giese von der „Leipziger TheaterTurbine“, einer freien Leipziger Impro-Theatertruppe. Wandlungsfähig vom gestrengen Ost-Sportlehrer über Angela „Mutti“ Merkel – damals noch „Jugendfreundin Angela“, die eigenhändig die Moritzbastei beim „Subbotnik“ ausgraben half - bis hin zu „Frau Dombrowski“. Kurzum: Wer es bis dahin noch nicht wusste, bekam es spätestens an diesem Abend mit: an Robert und Peter sind echte Entertainer verlorengegangen. „Ein Kessel Buntes“ reloadead - urst knorke!
Rund ein Jahr dauerten die Vorbereitungen für das Sport-Spektakel. Buch schreiben, Einstudieren, casten, Zuschauertribünen besorgen und selber schleppen. Mehr als 70 Mitwirkende aller künstlerischen „Gewerke“ waren beteiligt. „Von den ‚Phänomedia‘-Veranstaltungen und der Organisation der Hochschuljubiläen waren wir ja Einiges gewöhnt und wussten schon in etwa, was da an Arbeit auf uns zukommt. Gemäß dem Grundsatz ‚Wenn wir das machen, dann richtig und groß‘, mangelte es auch nicht an Ideen, was wir so alles in die Show integrieren können“, so Christian Birkner von der Fakultät Medien, der – gemeinsam mit Dekan Prof. Uwe Kulisch - maßgeblichen Anteil an der Show hatte. „Dennoch hatte der ‚Geist der Sporthalle‘ eine ganz neue Qualität, denn diesmal galt es, eine Geschichte zu erzählen und eindrucksvoll zu inszenieren. Und das war gegenüber gemeinsamen Veranstaltungen der Vergangenheit eine enorme Herausforderung, die insbesondere in den zwei Monaten vor der Show fast ein Full-Time-Job war. Ohne ganz viel Feuer und Herzblut wäre das nicht möglich gewesen – damit konnten wir letztendlich aber auch die vielen Unterstützer und Helfer gewinnen. Nicht zuletzt war ‚Der Geist der Sporthalle‘ aber auch eine besonders praxisnahe Vertiefung der Inhalte für die Lehrveranstaltungen ‚Veranstaltungstechnik‘ und ‚Veranstaltungsmanagement‘“, so Birkner weiter.
Geistige Nahrung und geistige Getränke – ein großes Familientreffen des Hochschulsports
Das Publikum war begeistert: „Der Abend hat uns sehr gut gefallen. Die Show war originell und einer Hochschule würdig, und – was mir sehr wichtig ist - zum Sport animierend“ sagt Sportwissenschaftler Dr. Volker Pechtl (Institut für angewandte Trainingswissenschaften), der als „rüstiger Rentner“ aus Liebe zum Sport Tennis- und Skilehrer beim HTWK-Hochschulsport ist. Er war stets umringt von ehemaligen Studierenden, die Kurse bei ihm absolviert haben oder gemeinsame Skilager-Zeiten Revue passieren ließen. „Das ist eine Art Familientreffen hier“ freut sich Pechtl.
Der heimliche Stargast des Abends aber war wohl „graue Eminenz“ Hans Dieter Wöhler – im „echten“ Leben Vater des Geistes und gleichzeitig geistiger Vater des HTWK-Sports. Wöhler war es, der Peter und Robert „seine“ Halle 2006 übergab ja, gleichsam in die Hände legte. „Darauf bin ich heute noch stolz, dass ich die beiden als Nachfolger gefunden habe. Und die beiden sind wohl heute noch dankbar“, so Wöhler senior zufrieden. „Die Halle war mein Zuhause. Ich sehe in der Show hier mein Leben. Was haben wir hier gebaut, umgebaut und veranstaltet! Nicht selten spielten wir mit Studierenden Turniere bis nachts ein Uhr“ sagt er mit glänzenden Augen. Wöhler darf wohl als Urgestein des Leipziger Sports bezeichnet werden: Leistungssportler in der Handballmannschaft des SC DHfK, holte er 1966 unter anderem den WM-Titel im Feldhandball und wurde im selben Jahr Europapokalsieger mit seinem Verein. 2006 ging er nach fast 40 Dienstjahren als HTWK-Sportlehrer und zuletzt Leiter des Hochschulsports in Rente, ist „seiner Halle“ aber immer noch eng verbunden.
Aber auch er ist nicht der ominöse „Geist der Sporthalle“. Wer verbirgt sich nun wirklich dahinter? Alle Bürokratie – für Peter und Robert offenkundig eine Plage, gleich in welcher Dekade - schaffte es in all den Jahren glücklicherweise nicht, ihn zu verscheuchen. Schließlich kommt Robert die Erleuchtung: „Die Menschen! Ja, die Menschen sind der Geist der Sporthalle!“ Die Menschen, die diese Halle bevölkern, egal in welcher Funktion.
Rektorin Prof. Gesine Grande: „Ich kann nur erahnen, wie viel Energie und Kraft in der Vorbereitung dieser Show stecken – der Applaus und die Begeisterung des Publikums haben gezeigt, wie gut die Ideen ankamen. ‚Der Geist der Sporthalle – das sind die Menschen‘. Und unsere Hochschule – das sind auch die Menschen, die hier arbeiten und sich engagieren. Ich bin sehr stolz, dass an unserer Hochschule so besondere Dinge möglich werden!“
Als schließlich im furiosen Finale die Konfetti-Kanonen sprühen und die Scheinwerfer Schauspielerinnen und Schauspieler, Tänzerinnen und Tänzer sowie Sportlerinnen und Sportler in ein flirrendes Farbenmeer tauchten, gibt es auch fürs Publikum kein Halten mehr: Zur Musik von „Schwarzkaffee“ dürfen endlich auch die Zuschauer die Tanzfläche fluten - und bekommen sogar eine CD mit dem eigens komponierten Song „Und Du so?“ von Schwarzkaffee mit nach Hause.
Fotos: Peter Lokk, Robert Winter, Toni Gräfe