Ingo Mannewitz aus Altenbach schenkt der HTWK Leipzig studentische Bauzeichnungen aus den zwanziger Jahren
Am 27. September 2018 erreicht eine Email die HTWK Leipzig: Der Absender, Ingo Mannewitz, wolle der Hochschule Zeichnungen aus dem „familiären Fundus“ vermachen. Es handele sich um Seminaraufgaben ehemaliger Studierender der StaatsBauschule Leipzig , an der sein Großvater, Baurat Prof. Dr.-Ing. Herrmann Paul Mannewitz in der Zeit von ca. 1925-1930 Lehrer gewesen sei. Ob die HTWK Interesse habe? Aus dieser Zeit stammen die ca. 35 großformatigen „Tuschezeichnungen im Format mit den Maßen von ca. 70x50 cm und noch recht passabel erhalten. Inhaltlich werden die Bereiche Projektionslehre, Holzbau (u.a. Holzbalken- verbindungen, Holzbalkendecken) und Steinbau (Mauerwerksverbände, Steintreppen) dargestellt.“
Ingo Mannewitz, Jahrgang 1952 und Enkel des Professors, ist selbst vom Fach: Er ist Dipl.-Ing. für Hochbau. Als solcher begriff er den – vor allem ideellen – Wert der Zeichnungen sofort, als er sie in Händen hielt. „ Doch familiär sehen wir keine geeigneten Möglichkeiten, diese Arbeiten zu präsentieren“, so Mannewitz. Auf einen Tipp seines Schwiegersohnes habe er sich an die Hochschule gewandt - die natürlich Interesse signalisierte, ist doch die Staatsbauschule eine der Vorgängereinrichtungen der heutigen HTWK Leipzig.
„Selbstverständlich sind wir an einer Bestandsergänzung durch Zeichnungen ehemaliger Studenten der Sächsischen Staatsbauschule oder der Technischen Lehranstalten immer sehr interessiert und freuen uns sehr über solch ein Angebot. Auch andere Zeugnisse des studentischen Lebens und Arbeitens wie Mit- und Nachschriften, Fotoalben oder Schülerzeitungen sind für das Hochschularchiv von großem Interesse und werden immer gern zur dauerhaften Sicherung übernommen. Sie dokumentieren auf einzigartige Weise den heute kaum noch vorstellbaren damaligen Studienalltag“, sagt Benjamin Schäf, Archivar der HTWK Leipzig.
Unverhoffter Fund
Bennewitz bei Wurzen, Ortsteil Altenbach. „An der Teeplantage“ steht das Haus, in dem Ingo Mannewitz die Zeichnungen fand, besser: wiederfand. Anfang der 1930 er Jahre hatte Paul Mannewitz das große Anwesen erworben. 1933 war hier ein Wirtschaftsgebäude entstanden – bis Mitte der 70er Jahre wurde hier Pfefferminze angebaut, geerntet, geschnitten und getrocknet. Daher rührt der Name der Straße, die bis 2008 Schmölener Straße hieß. Anfang bis Mitte der 50er Jahre wurde das Wirtschaftsgebäude zum Teil zu einem Wohnhaus umgebaut und von Paul Mannewitz und seiner Frau genutzt. 1987 zog Enkel Ingo mit seiner Frau Martina – nach umfangreichem Um- und Ausbau – hier ein und wohnte 30 Jahre lang, bis 2017, hier. „Mit dem Auszug im März 2017 waren umfangreiche ‚Sichtungen und Aussortierungen‘ verbunden – dabei kamen die Zeichnungen wieder ans Tageslicht – in einem Schrank, der nur zwei- oder dreimal im Jahr geöffnet wurde“, so Mannewitz.
Die Bilder sind fast so groß wie A2-Plakate und zumeist auf festes Papier gezeichnet. Sie sehr gut erhalten – sie weisen keine Stockflecken auf, das heißt, sie wurden temperatur- und lichtgeschützt aufbewahrt, so dass die feinen Zeichnungen nichts von ihrer Wirkung eingebüßt haben. Ingo Mannewitz, der übrigens sein Diplom an der Hochschule für Bauwesen, einer Vorgängereinrichtung der HTWK Leipzig, ablegte – brachte sie allesamt als große Rolle zur HTWK . „Ich übergebe sie sehr gern in treue Hände!“ Zeichnungen von Mauerwerken und Dächern mit Hunderten einzelner, sorgfältig gezeichneter Dachziegel, Entwürfe von Häusern, Darstellungen bestimmter Holzkonstruktionen – alles ganz analog ohne Computerprogramm gezeichnet.
Wer war Paul Mannewitz?
Enkel Ingo: „Ich kannte meinen Großvater nur vage. Er starb, als ich sechs Jahre alt war. Ich kann mich kaum an ihn erinnern, leider.“ Was aus Akten in den Archiven bekannt ist: Nachdem Paul Mannewitz das Realschulreifezeugnis in Leipzig abgelegt hatte, „arbeitete er in den Sommerhalbjahren 1904 und 1905 als Maurerlehrling im Geschäft seines Vaters und besuchte sieben Halbjahre die Abteilung für Architekten der Gewerbeakademie in Chemnitz. Das Reifezeugnis erhielt er im September 1908 .“ Danach leistete er zwei Monate lang seinen Wehrdienst in Wurzen und arbeitete anschließend zwei Jahre als Architekt wieder bei seinem Vater. Danach studierte an der Technischen Hochschule in Dresden und bestand 1913 die Dipl.-Ing.- und im Juni 1914 die Dr.-Ing.-Prüfung mit einer Arbeit über das Wittenberger und Torgauer Bürgerhaus.
Im Winterhalbjahr 1914/1915 übernahm Mannewitz eine Lehrerstelle an der Bau-und Gewerbeschule Freiberg. 1915 eröffnete er schließlich ein eigenes Architektur- und Ingenieurbüro in Chemnitz und arbeitete zweitweise als Aushilfslehrer an den dortigen Technischen Staatslehranstalten. Am 1. Oktober 1918 wurde er als Lehrer für Hochbau dort fest angestellt. „Am 21.01.1921 wurde ihm die Dienstbezeichnung Professor verliehen. Mannewitz wurde am 1.10.1924 an die Staatsbauschule nach Leipzig versetzt.“ All das verraten die Quellen des Universitätsarchivs der TU Chemnitz.
In Leipzig übernahm er „die Fächer Projektionslehre, Baukunde, Steinbau, Holzbau, in denen er bis zum Scheiden aus dem Staatsdienst, 1930 , unterrichtete.“ (Quelle: „Festschrift 100 Jahre Staatsbauschule “ )
„Leider sind im Hochschularchiv keine Unterlagen oder Dokumente aus der Verwaltung der ehemaligen Sächsischen Staatsbauschule Leipzig oder ihrer Vorgänger seit 1838 überliefert. Der interessierte Nutzer kann jedoch für die Zeit ab 1905 im Sächsischen Staatsarchiv Leipzig fündig werden. Auch ist davon auszugehen, dass im Hauptstaatsarchiv Dresden noch eine teilweise sogenannte ‚Gegenüberlieferung‘ existiert. Denn die Bauschule war eine staatliche sächsische Hochschule, daher wurden Akten bzw. Kopien von Vorgängen ‚gespiegelt‘, das heißt, sie sind immer an mindestens zwei Orten zu finden“, so Benjamin Schäf.
Im Dezember 1958 starb Paul Mannewitz in Wurzen.
In seiner Heimatstadt ist er bis heute eine bekannte Persönlichkeit. Mannewitz hat als Architekt dort mehrere Gebäude projektiert, unter anderem die prächtige Stadtvilla an der Torgauer Straße, heute Sitz der AOK. „Und bei Führungen über den Wurzener Friedhof ist das Grabmal meines Großvaters auch immer Teil des Rundgangs“, so Nachfahre Ingo.
Übrigens: Die Baubranche ist nach Prof. Dr. Paul Mannewitz in der Familie zumindest teilweise erhalten geblieben. Ingo Mannewitz war bis zu seinem Renteneintritt in der Bauausführung Hochbau, in den Bereichen Betoninstandsetzung und Bodenbeschichtung in der Region tätig. Sein erstgeborener Sohn Kay arbeitet in einem Baubetrieb.
Dass er das Grundstück „An der Teeplantage“ aufgegeben hat, bereut der Enkel von Paul Mannewitz nicht. Das Grundstück wurde 2018 von dessen jüngstem Sohn, Prof. Dr. Tom Mannewitz und seiner Frau Juliane übernommen und bleibt somit dem Besitz der Familie in Altenbach erhalten.
Die Mannewitz’schen Zeichnungen sollen archiviert und in der Hochschule ausgestellt werden.
alle Fotos, sofern nicht anders angegeben: Robert Weinhold/HTWK Leipzig