Der Platz in den Mülldeponien wird knapp – Was tun?
Für mehr Kapazität und Entsorgungssicherheit: Das Geotechnik-Team der HTWK Leipzig unterstützte die Zentraldeponie Datteln bei der nachhaltigen Standortentwicklung
5. März 2024
In Deutschland steht in Relation zu den in Zukunft zu erwartenden Abfallmengen deutlich zu wenig Deponiekapazität zur Verfügung. Auch neue Deponiestandorte sind rar. Zumal ein Neubau lange dauert, weil unter anderem die Genehmigungsprozesse langwierig und die Auflagen hoch sind. Die Lösung: Um die Entsorgungssicherheit zu gewährleisten, sollen die verfügbaren Kapazitäten bestmöglich genutzt werden. Möglich wird das durch eine maximale Verdichtung. Das ermöglichen innovative Verdichtungsverfahren, die das Team der Geotechnik an der HTWK Leipzig gemeinsam mit der AGR Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet mbH am Standort der Zentraldeponie Datteln in Nordrhein-Westfalen erprobt hat.
Auf Deponien der Klassen DK-I und DK-II wie der Zentraldeponie Datteln werden häufig bodenähnliche Abfälle abgelagert, die aufgrund von Schadstoffbelastungen oder fehlender Verwertungswege nirgends mehr verwendet werden können. Solche mineralischen Bauabfälle einschließlich Bodenaushubs – das sind Böden und Steine – stellten im Jahr 2021 mit etwa 221 Millionen Tonnen erneut die stärkste Abfallgruppe in Deutschland dar. Sie bringen Deponien als letzte Lagerorte an ihre Kapazitätsgrenzen.
Tiefbau-Verdichtungsverfahren auf Abfallablagerung angewendet
Da die Kapazitätsgrenze für DK-I Abfälle der Zentraldeponie Datteln fast erreicht war, sollten die noch vorhandenen Volumina so weit wie technisch möglich weitergenutzt werden. Dafür wurden die bereits auf der Deponie abgelagerte Abfälle mit der Impulsverdichtung nachverdichtet, um wieder Platz und damit neuen Ablagerungsraum zu schaffen.
„Im Forschungsbereich beschäftigen wir uns seit vielen Jahren mit der dynamischen Bodenverdichtung. Gemeinsam mit dem Deponiemanagement der AGR Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet mbH haben wir die derzeitige Verdichtungssystematik am Standort der Zentraldeponie Datteln analysiert und Optimierungsoptionen erarbeitet“, sagt Ralf Thiele, Geotechnik-Professor an der HTWK Leipzig.
Bereits im Jahr 2022 führte das HTWK-Team dafür umfangreiche Untersuchungen an zwei Deponiestandorten der AGR durch. Damit wollten sie herauszufinden, wie groß das Nachverdichtungspotenzial ist und wie viel zusätzliches Deponievolumen dadurch gewonnen werden kann. Auf kleineren Probefeldern kamen bei den Versuchen sowohl die Dynamische Intensivverdichtung (DYNIV) als auch die Impulsverdichtung (IMPV) zum Einsatz. Diese Verdichtungsverfahren werden zwar im Spezialtiefbau häufig eingesetzt; der Einsatz im Kontext der Abfallablagerung ist dagegen neu.
„Wir waren überrascht, als wir festgestellt haben, dass im Wirktiefenbereich noch rund zehn Prozent Kompression möglich waren. Dies entspricht einem Volumengewinn von ca. 0,5 Kubikmetern pro Quadratmeter. Auf den riesigen Deponieflächen wären dadurch deutlich längere Laufzeiten möglich“, so Thiele.
#gutzuwissen
Impulsverdichtung (IMPV)
Bei einer Impulsverdichtung wird ein 9 Tonnen schweres Fallgewicht aus etwa 1,2 Meter Höhe auf einen Verdichtungsfuß fallengelassen. Der Verdichtungsfuß ist in ständigem Kontakt mit dem Boden, so dass der Untergrund bei jedem Aufschlag des Fallgewichts verdichtet wird. Die Tiefenwirkung ist von der Bodenart und dem Schichtaufbau abhängig. Unter günstigen Voraussetzungen sind Verdichtungstiefen von bis zu sieben Metern möglich.
Erneute Versuche mit der Impulsverdichtung
Im November 2023 führten die Forschenden auf der Zentraldeponie Datteln erneut Versuche mit der Impulsverdichtung durch – dieses Mal auf sehr viel größeren Flächen: Felix Oertel und Enrico Wendt vom Bereich Geotechnik an der HTWK Leipzig sind auf Messkampagnen wie diese spezialisiert. „Die Setzungen der Geländeoberfläche bestimmten wir durch photogrammmetrische Messungen. Dafür nahmen wir mit einer Drohne Bilder auf und generierten aus diesen digitale Oberflächenmodelle. So konnten wir die Vorher-Nachher-Zustände vergleichen und aus der Differenz das Setzungsvolumen ermitteln“, erklärt Oertel. Zudem nutzten sie Rammsondierungen, ein Baugrundaufschlussverfahren, um die Wirktiefe und daraus die tiefenbezogene Kompression zu bestimmen.
Die Ergebnisse werteten die HTWK-Forschenden nun aus. „Die ersten Ergebnisse weisen bereits darauf hin, dass die Erfolge, die auf den Probefeldern erzielt wurden, bei diesem großflächigen Einsatz noch übertroffen werden. Die zusätzliche Impulsverdichtung führt somit durch die dichtere Lagerung des bereits eingebauten Abfalls zu einer maximalen Kapazitätsausnutzung “, sagt Wendt.
Vorgehen bietet modellhaften Charakter
Für Deponien in ganz Deutschland bietet dieses Vorgehen einen modellhaften Charakter, so das HTWK-Team. Gemeinsam mit der AGR veröffentlichten sie die Ergebnisse aus dem Jahr 2022 daher bereits auf dem 33. Karlsruher Deponie- und Altlastenseminar 2023 und stießen dort auf große Resonanz. Auf der 20. Leipziger Deponiefachtagung am 12. und 13. März 2024 an der HTWK Leipzig präsentieren sie die neuesten Ergebnisse vor einem Fachpublikum.
„Durch die effizientere Ausnutzung des Deponievolumens kann die Entsorgungssituation insgesamt verbessert werden. Die Zusammenarbeit zwischen der AGR Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet mbH und dem Bereich Geotechnik an der HTWK Leipzig leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Entsorgungssicherheit in Deutschland“, so Detlef Löwe, AGR Bereichsleiter Deponiemanagement.
Die Zentraldeponie Datteln
Auf der Zentraldeponie Datteln lagerte die AGR Abfallentsorgungs-Gesellschaft Ruhrgebiet mbH bis 1999 auf einer Fläche von 20 Hektar Siedlungsabfälle der Deponieklasse II ab. Bis 2007 erfolgte die weitere Ablagerung inerter Abfälle wie Boden und Bauschutt. 2008 wurde die Deponie stillgelegt. Vor dem Hintergrund zukünftig fehlender Deponiekapazitäten in der Region Metropole Ruhr genehmigte die Bezirksregierung Münster, die Deponie ab 2018 für den Ablagerungsbetrieb weiter nutzen zu können. Mit der Lösung „Deponie auf Deponie“ konnten gut 300.000 Tonnen weiteres belastetes Bodenmaterial abgelagert werden. Seit Ende 2023 ist der Ablagerungsbetrieb auf der Zentraldeponie Datteln endgültig eingestellt.
*Die Deponieklasse ist ein Indikator für die Schadstoffbelastung der Abfälle: Je höher der DK-Wert, desto belasteter und umso größer müssen auch die Schutzmaßnahmen sein. Die Einteilung mit Schwellenwerten für bestimmte Stoffe ist in der Deponieverordnung geregelt.