„Ich wollte immer Maschinen erfinden!“
10.07.2024
Nach 30 Jahren HTWK-Professur geht Fritz Peter Schulze in den Ruhestand – Im Interview gibt er Einblicke in sein Wirken an der Hochschule und spricht über die Menschen, die ihn begleitet haben.
„Ich habe noch die Dinosaurier übers Connewitzer Kreuz laufen sehen!“ sagt Fritz Peter Schulze und lacht. Der Professor, geboren 1958 in Döbeln, ist HTWK-ler der ersten Stunde: 1992 begann er als Hochschullehrer bzw. Oberassistent an der HTWK Leipzig. Am 1. April 1994 trat er hier seine Professur Werkzeugmaschinen und Fertigung an, nachdem er im gleichen Jahr an der Vorgängereinrichtung, der Technischen Hochschule Leipzig, Sektion Polygrafie, promoviert hatte.
Leipzig war die Stadt der Bücher und des Buchdrucks. Aber warum Polygrafie, was war Ihr Promotionsthema?
FPS: Mein Thema entstand aus der Optimierung grafischer Maschinen: „Bogenanleger von Offset-Druckmaschinen“. Das heißt, die Genauigkeit und die Geschwindigkeit der Ausrichtung von Druckbogen in der Druckmaschine sollte verbessert werden. Das mit der Polygrafie hatte sich ergeben, weil die Ansprüche an Verarbeitungsmaschinen interessant sind und ich Lust auf die hohen Geschwindigkeiten solcher Maschinen hatte.
Mein Doktorvater hieß übrigens Karl Marx! Im Sommer 1987 ist er allerdings leider auf einer Auslandsreise nach Westdeutschland geflüchtet. Als mein Professor weg war, setzten Assistenten wie ich erst einmal die Lehre fort. Er hatte mich früh auch an die Präsentation von Vorlesungen herangeführt, nach dem Motto „Wie soll es jemand sonst lernen?“ Für diese Chance und das Vertrauen bin ich ihm sehr dankbar. Das ist die eine Seite – die andere: das Loch, das Marx durch seinen Weggang hinterlassen hatte. Was sollte aus meiner Promotion werden? Ich wollte sie natürlich beenden, aber zunächst einmal blieb viel liegen. Letztlich habe ich meine Dissertation 1992 abgegeben und durch die mit der (politischen) Wende verursachten Unsicherheiten erst ein Jahr später verteidigt.
Das klingt nach wilden Zeiten … Geprägt von der politischen Wende und all den Umbrüchen.
FPS: So ist es. Gerettet hat mich schließlich Dr.-Ing. Regina Wege. Sie übernahm sofort die Betreuung meiner Dissertation – aus dem Doktorvater wurde sozusagen eine Doktormutter. Die formale Abwicklung nahm der TH-Professor Liebau vor. Wege hatte später eine Eckprofessur an der HTWK (Widmung für ein wesentlich bestimmendes Lehrgebiet in einem Studienfach – hier Konstruktionslehre) und mich als Assistent „angeheuert“. Ihr habe ich unter anderem auch unsere Kooperation mit der Université d’Artois/Frankreich zu verdanken, die inzwischen mehr als 26 Jahre besteht. Bei unserem ersten Besuch dort haben wir Modelle und – zur praktischen Erläuterung von Hydraulikflüssigkeiten – einen Kasten Bier mitgenommen! Diese Kooperation wird auch fortgesetzt werden, wenn ich meine Professur aus dem Ruhestand betrachte. Es gibt Pläne!
Diese Liebe zu Maschinen und dem Maschinenbau – woher kam die bei Ihnen?
FPS: Mein Vater war Bauingenieur für Industriebau/Konstruktion. Der Maschinenbau lag mir aber ein bisschen näher als das Bauingenieurwesen. Sich Maschinen auszudenken, die uns Arbeit abnehmen, hat mich sehr interessiert.
Von 1979 bis 84 studierte ich Maschinenbau mit der Vertiefung Konstruktions- und Getriebetechnik an der TU Dresden, hatte zuvor jedoch eine Lehre als Zerspanungs-Facharbeiter im VEB Werkstoffprüfmaschinen Leipzig absolviert. Nach dem Studium kehrte ich zurück in die heutige Kulturfabrik „Werk II“ am Connewitzer Kreuz. Spätestens seit dieser Zeit bin ich also fest im Leipziger Süden verwurzelt!
Das Studium brachte mir übrigens auch privates Glück: Meine Frau Karin habe ich im Studium kennengelernt. Mit ihr habe ich unser Haus gebaut, 1985 wurden unsere Zwillinge Marie und Christof geboren. Auf nichts bin ich mehr stolz als auf meine Kinder!
FPS: Aber nochmal zurück zu den Maschinen: Es gab einige Türen, die sich zwischendurch immer mal wieder auch zu anderen beruflichen Entwicklungen bzw. Unternehmen geöffnet haben – aber zu DDR-Zeiten war eben vieles nur mit „der Genossenschaft“ (gemeint: SED-Mitgliedschaft) möglich. Darauf hatte ich keine Lust. So bin ich letztlich an der TH Leipzig bzw. dann später in Lehre und Forschung an der HTWK gelandet. Gemeinsam mit den Studierenden Neues kennen- und anwenden zu lernen hat mich in meinem Berufsleben begleitet und riesigen Spaß gemacht.
Wie zum Beispiel die additive Fertigung?
FPS: Ja, der 3D-Druck im Maschinenbau hat für bedeutende Innovationen gesorgt: Das reicht von Medizintechnik bis Raumfahrt – maßgeschneiderte Bauteile können gedruckt werden, die früher so nicht möglich gewesen wären. Das bietet viele Chancen und begeistert mich!
Auf unserem Mitteldeutschen Forum „3D-Druck in der Anwendung“, das jährlich an wechselnden Orten stattfindet, vernetzt sich die mitteldeutsche Branche zu solchen Zukunftsthemen. Dieses Forum, mit dem wir in Markkleeberg gestartet sind, ist aus meiner Sicht ein Erfolgsmodell bzw. hat sich über die Jahre zu einem solchen entwickelt.
Der Kontakt mit Studierenden oder den Studienbewerbern war für mich immer eine große Freude; Formate wie die „Lange Nacht der Wissenschaften“ waren bereichernd – und es war bei uns immer sehr voll!
Sie haben sich an der Hochschule aber nicht nur in Lehre und Forschung engagiert, sondern auch in der akademischen Selbstverwaltung.
FPS: Ja, ich hatte in meiner Zeit an der HTWK diverse Ämter inne: Ich war von 2000-2003 Dekan der damaligen Fakultät Maschinenbau und Energietechnik, ganz oft Mitglied des Fakultätsrates und eine Zeit lang auch Senatsmitglied. Die Hochschule als Ganzes hat mich sehr interessiert und ich wollte diese gern mit entwickeln.
Kurzer Ausblick – werden Sie sich demnächst langweilen?
FPS: Sicher nicht. Im Herbst werde ich mit meiner Frau erst einmal ein paar Wochen durch Italien fahren. Ich habe ihr versprochen: Der Herbst gehört uns!
Ansonsten bin ich weiter aktiv im Verein „Building 3D e.V“ (https://building-3d.de), dem Additiv-Netzwerk des Mittelstandes.
Die Forschung lässt mich noch nicht ganz los, denn Angefangenes muss noch fertig werden. Viele Ideen und Visionen brauchen mehr Zeit als ursprünglich gedacht. Als Aufgaben der Zukunft schweben mir noch 3D-gedruckte Verpackungen aus Papierschaum oder die Umsetzung von Gradientenwerkstoffen im 3D-Druck vor. Natürlich muss man nicht alles selbst anstoßen, sondern die nächsten Generationen setzen eigene Schwerpunkte. So müssen auch neue Ideen zum Zuge kommen und der Generationswechsel ist dafür eine gute Gelegenheit.
Auswirkungen unseres Handelns habe ich mich immer verpflichtet gefühlt. Das Thema des Klimawandels ist in den letzten Jahren stark in den Fokus des Handelns vieler Menschen gekommen. Um dem gerecht zu werden, braucht es engagierte Leute, die sich den Herausforderungen des Ingenieurstudiums stellen und im Studium dicke Bretter bohren. Da ist Grundlagenausbildung in Mathematik, Physik, Antriebstechnik (z. B. Hydraulik) ein gewichtiges Thema, um bei der Optimierung verschiedener Anforderungen die richtige Lösung zu finden. Das sind meine Emotionen – um mit „Faust“ zu sagen: „Verweile doch, du bist so schön“.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte HTWK-Pressereferentin Franka Platz.
Stimmen aus dem Kollegium
„Ich schätze Fritz Peter Schulze, seine kollegiale und menschliche Art. Er hat viel erreicht und bewegt. Ich freue mich, dass wir sein Werk fortsetzen und mit der Organisation eines Blended Intensive Programme im Rahmen von Erasmus+ noch weiter ausbauen wollen. Der Austausch mit der Université d’Artois geht ja wesentlich auf Prof. Schulze zurück und ich setze mich sehr dafür ein, dass er weitergeführt wird.“
Prof.in Dr.-Ing. Anke Bucher, Professur Angewandte Mechanik
„Mich verbindet mit Prof. Dr.-Ing. Fritz Peter Schulze eine mehr als 35-jährige Freundschaft, die in der gemeinsamen Zeit als Assistenten an der Sektion Polygrafische Technik der Technischen Hochschule Leipzig am Gutenbergplatz begann. Wir waren am gleichen Lehrstuhl und können auf gemeinsame berufliche und auch familiäre Aktivitäten zurückblicken. Ich schätze Peter als Freund und Fachkollegen sehr und freue mich auf viel gemeinsame Zeit im Ruhestand.“
Prof. Dr.-Ing. Eugen Herzau, HTWK-Experte für nachhaltige Verpackungstechnologien
„Fritz Peter Schulze ist jemand, der immer eine passende Geschichte, ein Gedicht, einen Spruch oder Vergleich – ob für Fachliches oder Außerfachliches – zur Hand hat und auf passende Weise zum Besten zu geben weiß. Unter anderem das beeindruckt mich seit unserem Kennenlernen menschlich immer wieder, neben seinem enormen Fachwissen. Von ihm habe nicht nur ich sehr viel gelernt, wofür ich sehr dankbar bin.“
Dipl.-Ing. Lukas Kube, Team Professur Werkzeugmaschinen und Fertigung Fritz Peter Schulze
Kontaktperson
Interviewerin