„Leipzig ist und bleibt Buchstadt“
18. März 2025
200 Jahre Börsenverein des Deutschen Buchhandels, das Themenjahr „Buchstadt Leipzig“ und HTWK-Studiengänge rund ums Buch: Im Gespräch mit Prof. Ernst-Peter Biesalski – und ein Rückblick auf 27 Jahre HTWK Leipzig

Lipsius-Bau, Südseite, ein fast leeres Büro im 2. Stock. Die Sonne scheint herein – auf eine antike Optima-Schreibmaschine, eine mechanische Papierwaage, Schreibtisch und Rechner. Einmal die Woche ist Prof. Ernst-Peter Biesalski, seit Oktober 2024 emeritiert, noch hier. Er hat „14 Tage lang alles ausgeräumt“, sagte er. Im Moment lehrt er noch und nimmt Prüfungen ab, solange seine Nachfolge nicht besetzt ist. Gerade korrigiert er Klausuren. Bilanz von 27 Jahren Professur an der HTWK Leipzig: 55 Semester und mehr als 1.000 Studierende, die er im Studiengang Buch- und Medienwirtschaft begleitet hat, darunter auch im alljährlichen Projekt „Studium rund ums Buch“ zur Leipziger Buchmesse.

Das Leipziger Themenjahr 2025 trägt den Titel: „Mehr als eine Geschichte – Buchstadt Leipzig“. Sie haben das mit auf den Weg gebracht – wie kam das?
EB: Ich war im Vorfeld Teil einer Projektgruppe von etwa 20 Personen, beteiligt waren z. B. Leute vom Kulturamt der Stadt Leipzig, Oliver Zille, langjähriger Chef der Leipziger Buchmesse und weitere. Das war eine Art ‚Ideenschmiede‘, und ich war in die Diskussionen und Überlegungen zur Vorbereitung des Themenjahres mit eingebunden, mehr aber auch nicht. Dieses Jahr ist eben auch ein wichtiges Jubiläumsjahr, denn vor 200 Jahren wurde hier in Leipzig der Börsenverein des deutschen Buchhandels gegründet.
Ist Leipzig denn immer noch Buchstadt?
EB: Die Geschichte der immer wieder zitierten Buchstadt Leipzig endete im Grunde zunächst mit der Zerstörung des Graphischen Viertels im Zweiten Weltkrieg. 1943 wurden 80 Prozent des Viertels bzw. der dort ansässigen Verlage, Buchhandelsunternehmen, Druckereien, Buchbindereien usw. zerstört.
Und dennoch, Leipzig ist trotzdem immer noch Buchstadt – der Fokus hat sich nur verschoben, hin zur Ausbildung. Also Buchstadt im Sinne von Ausbildungsstadt rund ums Buch. Dazu gehören die Universität, die HTWK Leipzig, die HGB; das Deutsche Literaturinstitut, die Gutenbergschule…
Und natürlich nicht zu vergessen die Leipziger Buchmesse im Frühjahr, Museen und weitere Einrichtungen rund ums Buch – so etwa das Buch- und Schriftmuseum der Deutschen Nationalbibliothek, das Deutsche Zentrum für barrierefreies Lesen, das Museum für Druckkunst, die Uni-Bibliothek und viele andere. So ist und bleibt Leipzig Buchstadt, es gibt hier eine lebendige Szene und auch neue, kreative und sehr interessante Verlage.


Wie geht es dem Buch als Medium – in Zeiten von Digitalisierung und KI, Social Media und der immer knapper werden Ware Aufmerksamkeit?
EB: Neben das Buch sind weitere Medienformate getreten, aber um das gedruckte Buch müssen wir uns keine Sorgen machen. In einigen Bereichen erlebt dieses sogar eine ausgesprochene Belebung – etwa durch die Verknüpfung von Social Media und Buch – siehe „Booktok“ und den erfolgreichen Trend der „New Adult“-Literatur (Interview: „New Adult“ und das Comeback des gedruckten Buches).
All das hat ja auch Auswirkungen auf Studium und Berufsbilder.
EB: Natürlich, das war aber doch schon immer so. Dem Studiengang Buch- und Medienwirtschaft steht daher schon seit Gründung 1992 (damals noch Buchhandel/Verlagswirtschaft) ein Beirat aus Persönlichkeiten der unterschiedlichsten Bereiche der Buchbranche zur Seite. Dieser trifft sich einmal jährlich mit den Professoren, um sich zu neueren Entwicklungen und deren Bedeutung für das Studienangebot auszutauschen. So werden Aktualität und Praxisnähe des Studienangebots sichergestellt. Darin sehe ich auch die Verantwortung der Hochschule – „Berufsfähigkeit“ herzustellen, also dafür zu sorgen, dass unsere Absolventinnen und Absolventen auf der Höhe der Zeit sind, wenn sie die Hochschule verlassen.


Welche Vorstellungen haben die Studierenden vom Studium und ihrem künftigen Beruf?
EB: Die meisten wollen schon in Verlagen arbeiten. Allerdings qualifiziert unser Studiengang nicht für eine Tätigkeit im Lektorat, wie manche denken, sondern unsere Absolventen und Absolventen gehen in den Verlagen vorrangig in die Bereiche Marketing, Vertrieb, aber auch Programm.
Das Studium ändert sich natürlich im Lauf der Zeit, wie schon im Zusammenhang mit dem Beirat erwähnt. Die dynamische Entwicklung der Branche zeigt sich auch im Studienangebot: Was noch vor 15 Jahren „elektronisches Publizieren“ hieß, ist heute selbstverständlicher Bestandteil in nahezu allen Bereichen des Studiums. Und natürlich wird auch heute ganz anders studiert als noch vor 20 Jahren – die Bedeutung von online verfügbaren Quellen hat natürlich erheblich zugenommen. Lesegewohnheiten und Mediennutzungsverhalten haben sich enorm verändert, was etwa eine Herausforderung für Fachverlage mit sich bringt: Inhalte müssen ganz anders aufbereitet werden, um diesem zu entsprechen. So gesehen erwartet unsere Absolventinnen – denn es sind ja weit überwiegend junge Frauen – die bei uns studieren, ein dynamisches und interessantes Arbeitsumfeld in einer besonderen Branche.
Wie kamen Sie selbst zur Welt der Bücher? Wurde Ihnen das in die Wiege gelegt? Sie stammen aus Mainz, der Stadt Johannes Gutenbergs…
EB: Tatsächlich bin ich gelernter Buchbinder, komme also ursprünglich vom Handwerk und betrachte Bücher immer von zwei Seiten – Inhalt und Form. Geboren in der Gutenbergstadt Mainz besuchte ich das Gutenberg-Gymnasium und studierte an der Johannes Gutenberg-Universität eine damals ungewöhnliche Fächerkombination: Buchwesen, Kunstgeschichte und BWL. Mein Berufseinstieg erfolgte dann in Köln bei DuMont.
Welcher ist Ihr Lieblings-Buchort in Leipzig?
EB: Ich mag die Lesesäle der Deutschen Nationalbibliothek, v. a. den im Buch- und Schriftmuseum, und die ruhige, kontemplative Stimmung.
Was lesen Sie gerade – und wie? Gedruckt oder digital?
EB: Beides, analog und E-Books, je nachdem. Zurzeit lese ich von Wolf Haas „Wackelkontakt“ – Inhalt und Form sind grandios! Das Buch ist gerade nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse. Dann von Axel Hacke „Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten“.
Was waren die schönsten Projekte mit Studierenden, woran erinnern Sie sich besonders gern?
EB: Es gibt so vieles… aber besonders schön war jedes Jahr die Leipziger Buchmesse und unser Stand – die Studierenden haben ihn jedes Jahr selbst entwickelt und gebaut, mit großem Engagement und viel Motivation. Wir bekamen dabei auch immer viel Unterstützung aus der Hochschule, nicht nur von der Institution als solcher, sondern auch von vielen Einzelpersonen. Aber mal abgesehen von Projekten: Letztlich hatte ich 27 gute Jahre an der HTWK, dafür bin ich wirklich dankbar.

