Prüfungsangst - Hilfreiche Tipps für die Zeit vor und während der Prüfung
12. Februar 2024
Ein gut gefüllter Hörsaal, alle warten gespannt auf den Vortrag. Beatrix steht allein vor der Menge und atmet vor ihrer Ansprache tief durch. Was vor Ort niemand weiß, ist, dass unter ihrer gewöhnlichen Kleidung ein Wonderwoman-Outfit verborgen ist. Darüber hinaus ahnt niemand, dass sie kurz zuvor einen vietnamesischen Tee getrunken hat, fest überzeugt von dessen Superkräften, die ihr in stressigen Situationen wie dieser helfen.
Beatrix ist psychosoziale Beraterin beim StuRa der HTWK Leipzig und kennt sich bestens mit Methoden zur Bewältigung von Prüfungsangst aus. Sie weiß, sie ist nicht allein mit ihrer Prüfungsangst und präsentiert in diesem Beitrag hilfreiche Tipps für Betroffene.
Was ist Prüfungsangst?
Symptome im Fokus
Prüfungsangst geht über bloße Nervosität vor einer Klausur hinaus. Sie repräsentiert eine Form von Bewertungsangst, in der die Betroffenen besorgt sind, dass ihr Verhalten oder ihre Leistung von anderen beurteilt werden könnten, was ihr Selbstwertgefühl bedroht. Dies ist ein komplexes emotionales Phänomen, das sich in verschiedenen und individuellen Symptomen äußern kann. Die häufigsten Symptome sind auch Stresssymptome wie bspw.:
- Herzrasen,
- Schlafstörungen,
- schwitzige Hände,
- kalte Füße,
- andauernde Angespanntheit,
- Magen-Darm-Probleme,
- höhere Anfälligkeit für Krankheiten
Gesunder Stress vs. übermäßige Angst
Es ist normal, vor Prüfungen eine gewisse Anspannung zu verspüren. Diese gesunde Stressreaktion kann motivierend wirken und die Leistungsfähigkeit steigern. Hingegen wird übermäßige Angst durch exzessive negative Gedanken und einen starken Leidensdruck begleitet, was die Prüfungsvorbereitung erheblich beeinträchtigen kann. Wichtig ist hier die eigene Einschätzung:
- Wie bewerte ich die Angst?
- Beeinflusst die Prüfung mein Wohlbefinden?
- Ist es nur für einen Tag oder hält es viel länger an?
- Hindert mich die Angst an einer guten Vorbereitung?
- Meide ich Prüfungssituationen aus Angst?
- Bereitet mir der Gedanke an die Prüfung schon ein mulmiges Gefühl?
Wie können Studierende erkennen, wann es an der Zeit ist, sich professionelle Hilfe zu suchen?
Studierende sollten auf sich achten und ihre Grenzen erkennen. Wenn Prüfungsangst das tägliche Leben stark beeinflusst und Bewältigungsstrategien nicht ausreichen, ist es ratsam, (professionelle) Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass man mit Prüfungsangst kein Einzelfall ist. Umso hilfreicher ist es, sich darüber mit anderen Studierenden auszutauschen oder Beratungsangebote wahrzunehmen.
Bei der psychosozialen Beratung vom StuRa und dem Studentenwerk Leipzig stehen die Bedürfnisse der Studierenden klar im Vordergrund:
- Wer anonym bleiben will, kann bei der psychosozialen Beratung des StuRa anonym bleiben. Namen werden hier nicht überprüft.
- Wer nicht von anderen bei einer Beratungsstelle gesehen werden möchte, kann das Beratungsangebot auch über andere Kommunikationsmittel nutzen (abhängig von Beratungsstelle: Telefon, E-Mail, Videochat).
- Wer häufiger unter Prüfungsangst leidet, kann Angebote auch mehrfach in Anspruch nehmen.
- Wer andere Sorgen als Prüfungsangst hat, kann sich ebenfalls an die Beratungsstellen wenden.
Letztlich ist es wichtig, keine Scheu davor zu haben, Angebote zu nutzen: ↓ Beratungsangebote
Tipps von Beatrix zur Überwindung von Prüfungsangst
Allgemeine Tipps
➤ Auf den Körper hören
In stressigen Situationen ist es wichtig, auf den eigenen Körper zu hören und zu merken, wann er Ruhe und Entlastung braucht. Eine Überlastung des Körpers kann zu Erschöpfung, weiteren Stress und sogar gesundheitlichen Problemen führen, was sich negativ auf die Prüfungsleistung auswirken kann. Durch angemessene Pausen, ausreichend Schlaf und regelmäßige Bewegung bleibt der Körper im Gleichgewicht und die geistige Leistungsfähigkeit wird unterstützt.
➤ Gute Gewohnheiten beibehalten
Was einem vor der Prüfungsphase gutgetan hat, wird einem auch währendessen gut tun. Daher sollten gute Gewohnheiten und regelmäßige Aktivitäten gerade auch in der Prüfungsphase beibehalten werden. Ob es regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung, Meditation, Zeit mit Freunden oder Hobbys sind – diese Dinge tragen dazu bei, Stress abzubauen, die Konzentration zu verbessern und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern. Indem man sich während der Prüfungsvorbereitung weiterhin auch diese Wohlfühlaktivitäten einbaut, kann man besser mit dem Druck umgehen und erfolgreich durch diese herausfordernde Zeit kommen.
➤ Teilziele setzen und Erfolge feiern
Durch die Unterteilung eines großen Ziels, wie etwa einer Prüfung, in kleinere, leichter erreichbare Teilziele wird der Prozess insgesamt weniger überwältigend. Die Erreichung dieser kleinen Ziele dient als Motivationsschub und gibt ein Gefühl von Fortschritt und Erfolg. Dieser Erfolg darf auch ruhig jedes Mal gefeiert werden: sei es durch eine Pause, eine Belohnung oder das Teilen des Erfolgs mit Freunden und Familie. Dieser Ansatz fördert die Effizienz, stärkt das Selbstbewusstsein und schafft eine positive Einstellung gegenüber der bevorstehenden Prüfung.
Vor der Prüfung
➤ Pausen Pausen Pausen
Wer für eine Prüfung lernt, hat grundsätzlich viel Lernstoff vor sich und wenig Zeit dafür. Daraus resultiert oft die Annahme, dass maximal viel Zeit für die Bewältigung des Lernstoffes notwendig ist und Pausen nur ein Zeitfresser sind. Doch auch wenn die Vorbereitungszeit rast und immer weniger Zeit bleibt, benötigt es umso mehr Pausen! Ein Mensch ist nicht immer zu 100 % leistungsfähig und benötigt auch Auszeiten, um das Gelernte zu verinnerlichen und neue Kraft zu schöpfen.
Ein weiterer Vorteil an Pausen ist die Anwendung des Primacy-Recency-Effekts: Dieser Effekt ist ein psychologisches Gedächtnisphänomen, welches dazu führt, dass bei einer Reihe dargestellter Urteilsobjekte oder Lernmaterialien die zu Beginn (Primäreffekt) und gegen Ende (Rezenzeffekt) dargestellten Informationen besser im Gedächtnis behalten werden. Mehr Pausen führen zu mehr Anfängen und Enden, die besser verinnerlicht werden.
Und wie verbringt man die Pausen am besten? Das ist natürlich hochgradig individuell. Hier gilt es, Neues auszuprobieren, ggf. Ideen von anderen Studierenden oder aus Beratungen einzuholen: Hilft mir ein Spaziergang an frischer Luft? Hilft mir eine Runde Yoga? Hilft mir Mittagsschlaf? Pausen können auch gut genutzt werden, um sich selbst zu belohnen: z. B. mit leckerem Essen oder mit tollen Ausflügen. Langfristig kann durch Belohungen auch die Perspektive auf das Lernen positiv verändert werden.
➤ Neue Lernmethoden ausprobieren
Antrainierte Lernmethoden aus der Schule funktionieren evtl. nicht mehr im Studium. Daher ist es ratsam, auch neue Methoden auszuprobieren und sich Inspirationen von anderen zu holen. Möglicherweise lernt es sich in der Bibliothek ja besser als zuhause, oder eher vormittags als abends, oder aber eher in Bewegung als auf einem Stuhl sitzend.
➤ Darüber reden
Ist die Angst zu groß vor der Prüfung und beeinträchtigt sie massiv das eigene Wohlbefinden, hilft es, sich guten Freunden anzuvertrauen oder Beratungsangebote in Anspruch zu nehmen. Wie fühlen sich andere bei Prüfungen? Wie gehen sie mit dem Stress um?
Bei mündlichen Prüfungssituationen kann es auch hilfreich sein, seine Gefühle ehrlich mitzuteilen. Das klingt erst einmal nach einer großen Überwindung. Aber fragt man sich selbst, wie man bei anderen ängstlichen Studierenden bei Vorträgen oder Präsentationen reagieren würde, empfindet man oft Mitgefühl und möchte unterstützen.
Zu wissen, dass man mit dieser Angst nicht allein ist und andere durchaus Verständnis haben, kann schon Druck abbauen.
Am Prüfungstag
➤ Power Posing für mehr Selbstbewusstsein
Eine starke Körperposition hat Einfluss auf unser Befinden! Es braucht nur zwei Minuten.
Am besten stellt man sich wie Superman oder Wonderwoman hin und nimmt eine selbstbewusste Pose ein. Das mag anfänglich merkwürdig sein, vorallem wenn man Angst empfindet. Doch nach der ersten Minute bemerkt der Körper einen Unterschied und senkt das Cortisol (Stresshormon) und steigert Testosteron (erhöht das Selbstbewusstsein). Tipp: Vor der Prüfung eignen sich die Toiletten-Räume ideal hierfür. Die Übung senkt den Stress, gibt Selbstbewusstsein und ändert wie man einen Raum betritt.
➤ Körper aktivieren
Direkt vor der Prüfung ist es sinnvoll, sich zu bewegen und den Körper zu aktivieren. Wenn noch ausreichend Zeit ist, bietet es sich an, eine Runde um den Block oder den Campus zu gehen. Statt Bus oder Straßenbahn zu nutzen, könnte man auch laufen oder mit dem Rad fahren. Und lieber die Treppen nehmen als den Fahrstuhl zu rufen. Bewegung in Maßen aktiviert den Körper, fördert Durchblutung und ist konzentrationsfördernd. Außerdem ist der Unterschied zwischen einem aktivierten Körper und Angst weniger groß als bei einer totaler Tiefenentspannung und Angst.
➤ Glücksbringer mitnehmen
Während der Prüfung können kleine Glücksbringer für Sicherheit sorgen und helfen, sich zu entspannen und sich auf die Aufgaben zu konzentrieren. Beispielsweise kann es eine getragene Halskette sein, die an einen lieben Menschen erinnert, ein Lieblingspullover, der als Talisman fungiert, oder ein Tuch mit einem beruhigenden Duft.
Während der Prüfung
➤ Die Angst bleibt maximal zehn Minuten auf dem Maximum
Die Anspannung zeigt sich vielleicht schon in den Tagen vorher, vielleicht auch Wochen vorher. Doch kurz vor der Prüfung wird sie am höchsten sein – dies zu akzeptieren ist ein wichtiger Schritt, der Angst zu begegnen. Unser Körper kann die maximale Anspannung der Angst bis zu zehn Minuten halten – danach geht die Anspannung langsam runter. Wenn die ersten zehn Minuten geschafft sind, wird es leichter!
➤ Ohren massieren
Auch während der Prüfung hilft es, sich kurze Pausen zu gönnen. In diesem Moment kann man Körpermechanismen nutzen, um die Konzentration zu verbessern. Das funktioniert z. B. mittels einer Ohrmassage. Hierzu die Ohren eine Minute massieren und ordentlich kneten – das Ohrläppchen und die Ohrmuschel helfen, die Durchblutung zu fördern. So werden kleine Verspannungen in Nacken sowie Hals gelöst, das Gehirn wird besser durchblutet, die Konzentrationsfähigkeit steigert sich und Entspannung tritt ein.
➤ Fokus-Übung
Nach der Prüfung
➤ Belohnen!
Unabhängig davon, wie die Prüfung gelaufen ist, ist sie erst einmal überstanden. Für diese Leistung und Überwindung darf man sich angemessen belohnen!
➤ Entspannen
Nach der Anspannung ist Entspannung angesagt. Der ganze Stress darf für den Moment abfallen. Auch wenn die nächste Prüfungssituation schon wieder naht, sollte man dem Gehirn eine Pause gönnen. Es benötigt Zeit, um neue Energie zu tanken und sich auf neuen Lernstoff einzustellen.
➤ Kein gutes Gefühl nach der Prüfung?
Nach einer missglückten Prüfung ist es ratsam, seine Gefühle anzunehmen und sich Zeit für eine reflektierende Betrachtung zu nehmen. Anstatt sich von negativen Emotionen überwältigen zu lassen, bietet die reflektierte Auseinandersetzung die Möglichkeit, aus der Erfahrung zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Ein liebevoller und geduldiger Umgang mit sich selbst hilft, die Situation nicht übermäßig negativ zu bewerten. Insgesamt gilt sowieso: Misserfolge sind kein Weltuntergang!
#vorgestellt
Psychosoziale Beratung des StuRa
Diese Beratung ist ein gemeinsames Angebot des StuRa der Universität Leipzig (seit 2014) und des StuRa der HTWK Leipzig (seit 2019).
Das Ziel des Beratungsangebots ist es, eine niedrigschwellige, kostenfreie und vertrauliche Unterstützung für Studierende bereitzustellen. Es dient nicht als Ersatz für eine Therapie, kann jedoch bei der Suche nach geeigneten Therapiemöglichkeiten aufklären und unterstützen. Die Beratung hat eine wegweisende Funktion und kann ggf. an passende Stellen vermitteln. Es handelt sich hierbei um eine hochschul-externe Beratung, weshalb Studierende unabhängig und unvoreingenommen beraten werden können.
Neben Prüfungsangst werden auch folgende Themen besprochen:
- Lernstress
- Studienabschlussschwierigkeiten
- Konflikte im persönlichen Umfeld
- Drogen und Sucht
Wöchentlich gibt es eine offene Beratungsstunde (dienstags, 9.30 bis 10.30 Uhr), bei der Studierende ohne Termin vorbeischauen können. Wer lieber einen festen Termin vereinbaren möchte, kriegt diesen i. d. R. innerhalb von zwei Wochen. Beratungen werden vor Ort, per Videochat, per E-Mail, telefonisch oder bei einem Spaziergang angeboten.
Psychosoziale Beratung des Studentenwerkes
Die Psychosoziale Beratung des Studentenwerkes Leipzig erfolgt in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig, vertreten durch die Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Universitätsklinikums. Diese Partnerschaft gewährleistet nicht nur einen hohen Beratungsstandard, sondern auch den Zugang zu den neuesten therapeutischen Entwicklungen.
Neben Prüfungsangst werden auch folgende Themen besprochen:
Informationen zu Sprechzeiten, Terminbuchungen sowie Kontaktmöglichkeiten gibt es hier:
Unterstützung für Studierende der HTWK Leipzig
→ Psychosoziale Beratung des StuRa der HTWK Leipzig
→ Die Psychosoziale Beratung vom Studentenwerk Leipzig
→ bei Prüfungsangst: Gruppenangebote und Workshops
→ Kurse zum Thema Selbstentwicklung im Studium generale der HTWK Leipzig
→ bei Prüfungsangst: Mentalstrategien
→ Beratungslandkarte der HTWK Leipzig
→ E-Books zur Prüfungsvorbereitung, Lerntechniken, Prüfungsangst, Motivation
In Austausch mit anderen Studis treten
Wer sich mit anderen Studierenden über Lernmethoden und Stressbewältigung austauschen möchte, kann gern die Kommentarfunktion unter dem entsprechenden Instragram-Post zur Prüfungsangst nutzen.